From the World of John Wick: Ballerina

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Ich war ziemlich heiß auf diesen Film und der Kino Saal auch, denn ganz konkret, es war viel zu warm, als ob die Klimaanlage ausgefallen wäre. Aber würde ja passen, in Deutschland fallen die Geräte ja gerne im Juni aus, eben dann wenn es warm wird. Aber eigentlich passt Ballerina für mich sowieso nicht in diese Jahreszeit, er fühlt sich für mich eher wie ein Novemberfilm an. Für kühle dunkle Abende, nicht für heiße Nachmittage. Düster, kalt, auf eine auch ein bisschen melancholisch, dabei dennoch hart, eigentlich genau mein Ding.

Eve – Die neue Baba Yaga?

Die Geschichte von Ballerina ist schnell umrissen: Eve, gespielt von Ana de Armas, ist eine Waise mit tragischer Vergangenheit. Aufgenommen von den Ruska Roma, jenem geheimnisvollen Clan, der auch John Wick einst das Töten lehrte, wird auch sie dort zur professionellen Auftragsmörderin ausgebildet. Wer sich im John Wick-Universum auskennt weiß also, hier wird nicht lange gefackelt, hier wird erledigt. Präzise, gnadenlos und mit Stil.

Eve steht in dieser Welt aber erst am Anfang. Und genau das macht die Geschichte noch spannend. Denn anders als John ist sie noch nicht die nahezu unbesiegbare Legende. Ihre Bewegungen wirken anfangs noch unsicherer, ihre Schläge weniger durchtrainiert, ihre Strategien manchmal impulsiv und sie muss viel einstecken. Und dennoch: Doch leider ist das alles meist halb so wild, denn egal ob eine Stichverletzung oder Schusswunde, sie verzerrt kurz das Gesicht vor Schmerz und steht direkt wieder auf. Der Begriff Plot Armor bekommt hier wieder einen Ehrenplatz. Denn so verletzlich sie manchmal wirkt, wirklich verwundbar scheint sie nie zu sein. Zugegeben, es gibt Szenen im Vorfeld, die das erklären sollen, dass sie Schmerz aushalten kann und extrem widerstandsfähig ist, dennoch wäre mal ein wenig Regenerationszeit hier und da gar nicht verkehrt gewesen, einfach um die Figur glaubhafter zu machen; aber hey, wir sind ja auch immer noch in einer Art Comic-Verfilmung unterwegs.

Stilistisch sauber, aber mit Luft nach oben

Inszenatorisch orientiert sich Ballerina stark an der Ästhetik der Hauptreihe. Alles ist stilisiert, oft in sattem Blau, düsteren Schatten und grellen Neon Farben oder weißem stroboskopischem Licht getaucht. Zum Finale gibt es wunderbares Farbspiel mit Orangenen Tönen. Die Kamera bleibt meist sehr nah an den Figuren, was in einigen Szenen gut funktioniert, besonders wenn Ana de Armas ihr beeindruckendes Bewegungstalent zeigen darf. In anderen Momenten aber hätte ich mir mehr Distanz gewünscht. Die große Kunst der Kampfchoreografie liegt ja nicht nur im Schlagabtausch, sondern in der Übersicht, im Rhythmus und da verschenkt der Film manches Potenzial.

Was allerdings hervorragend funktioniert, ist die Kreativität in der Umsetzung der Kämpfe. John Wick hat einst das Töten choreografisch neu definiert, Ballerina folgt diesem Trend mit eigenen Akzenten. Handgranaten spielen dabei eine besondere Rolle. So viele elegante, beinahe ästhetische und auch durchaus unterhaltsame Explosionen habe ich selten in einem Film gesehen. Gewalt als Kunstform, das muss man natürlich mögen, aber wer’s tut, wird hier durchaus auf seine Kosten kommen. Ich konnte mir den einen oder anderen Lacher zumindest nicht verkneifen.

Eine solide, aber etwas konstruierte Ausgangsgeschichte

Der Plot selbst? Sagen wir es so, es sollte der Auftakt zu einer neuen Reihe werden und das merkt man. Man bekommt eine klassische Origin-Story, der uns Eve und ihre Geschichte behutsam näherbringt. Man konnte sogar auch Keanu Reeves nochmal gewinnen eine kleinere Rolle zu spielen, so dass John Wick hier auch tatsächlich auftaucht und nicht nur wie die Baba Yaga ein Gespenst vom Hören sagen ist. Die Geschichte wirkt leider stellenweise arg konstruiert, besonders zu Beginn. Es fehlen ruhige, geerdete Momente, um Eve als Figur mit echter Fallhöhe zu etablieren. Ihr Weg zur Killerin fühlt sich eher wie ein dramaturgischer Sprungbrettakt an als wie eine Reise. So Banal die Geschichte um Johns Frau und Hund im ersten Teil auch war, sie war deutlich glaubhafter.

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Dabei hätte der Film durchaus Potenzial gehabt, ebensolch eine Geschichte zu erzählen. Die Entwicklung einer Figur, die nicht von Anfang an unbesiegbar ist. Die sich ihren Platz in dieser gnadenlosen Welt mit echtem Leid, echten Fehlern und echten Konsequenzen erkämpfen muss. Wir sehen zwar Eves Entwicklung in einigen Montage-Szenen, dennoch bleibt ihre eigentliche Entwicklicklung nihct mehr als Behauptung und verliert dadurch einen Teil des emotionalen Gewichts den es braucht, wenn man mit einem Menschen der auf Rache aus ist, sympathisieren und mitfiebern soll.

Ana de Armas überzeugt – aber nicht ganz ohne Fragezeichen

Ana de Armas macht ihre Sache gut. Ihre physische Präsenz ist wirklich top, ihr Schauspiel glaubhaft, manchmal vielleicht sogar etwas zu zurückgenommen. Gerade im direkten Vergleich mit Keanu Reeves fällt das auf. Während John Wick durch seine stoische Melancholie lebt, fehlt es Eve stellenweise noch an dieser Aura der inneren Zerrissenheit, sie wirkt dann etwas blass. Ob das ein bewusst gesetzter Kontrast ist oder schlicht am Drehbuch liegt, lässt sich schwer sagen. In jedem Fall nimmt man ihr die Figur zwar ab, aber sie hinterlässt noch nicht den ikonischen Eindruck, den Wick bereits beim ersten Auftritt hatte.

Hoffnung für mehr?

Was bleibt? Ein Film, der vieles richtig macht, visuell, stilistisch, atmosphärisch, aber nicht den großen emotionalen Wurf landet. Ballerina ist ein vielversprechendes Spin-off, das seine Protagonistin einführt, ohne sie wirklich herauszufordern. Und trotzdem mochte ich den Film. Ich liebe die Welt, die Härte, den Stil. Ich hätte nur gerne etwas mehr Risiko gesehen. Weniger Glätte, quasi ein Coming-of-Age Film einer Auftragskillerin, die auch noch Fehler macht, die dann Konsequenzen haben.

Dass der Film derzeit an den Kinokassen untergeht ist schade. Denn in einer Zeit, in der viele Franchises nur noch müde Schatten ihrer selbst sind, versucht Ballerina zumindest, das Erbe mit Würde anzutreten. Ich hätte gerne mehr von Eve gesehen, vielleicht ja in einem zweiten Teil, der den Mut hat, die Komfortzone zu verlassen; falls er denn jemals grünes Licht bekommt. Ich wäre sofort dabei.

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