Thunderbolts* The New Avengers

Thunderbolts* IMAX
image-1024x289 <s>Thunderbolts*</s> The New Avengers

Marvel überrascht wieder – wenn auch vorsichtig

Thunderbolts* ist kein Paukenschlag, kein Wendepunkt und auch kein triumphales Comeback, das Marvel in eine glorreiche neue Phase katapultiert. Aber es ist ein Film, der funktioniert, der unterhält, der Charaktere in den Vordergrund stellt, die man bisher eher am Rand erlebt hat. Und genau das tut dem Film spürbar gut. Nach einigen durchwachsenen Beiträgen, seltsamen wechseln in der Tonalität und einem spürbaren kreativen Durcheinander innerhalb der letzten Jahre, hatte ich ehrlich gesagt sehr gedämpfte Erwartungen. Wobei ich sagen muss, dass der Trailer mir schon Lust auf mehr gemacht hat. Umso erfreulicher war es, dass Thunderbolts* mich doch überrascht hat. Nicht mit einem bahnbrechenden Plot oder einem emotionalen Meisterwerk, sondern einfach mit solider Figurenarbeit, einem klaren Fokus und der richtigen Mischung aus Drama, Action und guten Witzen.

Gerade Alexei Shostakov bzw. der Red Guardian, gespielt von David Harbour, hatte einige grandiose Momente. Seine Mischung aus stumpfer Naivität, bröckelndem Stolz und tiefer Verletzlichkeit gehört für mich zu den Highlights des Films. Auch das Zusammenspiel mit Florence Pugh, Yelena Belova als seiner Tochter funktioniert wunderbar, was nicht überrascht, denn schon in Black Widow war ihre Dynamik ein echter Pluspunkt. Ergänzt wird das Team durch Sebastian Stan als Winter Soldier Bucky Barnes, Wyatt Russell als Ex-Captain America John Walker und Hannah John-Kamen als Ava Starr bzw. Ghost. Auch Antonia Dreykov die wohl den meisten, wenn überhaupt eher als Taskmaster bekannt sein dürfte und durch Olga Kurylenko verkörpert wird, hat ihren Auftritt. Jede dieser Figuren bringt nicht nur besondere Fähigkeiten mit, sondern auch emotionalen Ballast, der mehr oder weniger stark thematisiert wird.

Das MCU als Serie – und wer nicht aufpasst, ist selbst schuld

Was man sich mittlerweile einfach klar sein muss ist, dass Marvel kein klassisches Kino-Universum mehr ist, in dem man hier und da einen Film mitnehmen kann. Wer in Thunderbolts* geht, ohne Black Widow, The Falcon and the Winter Soldier oder Ant-Man and the Wasp gesehen zu haben, wird viele Zusammenhänge schlichtweg nicht verstehen. Und das ist auch völlig in Ordnung. Niemand würde bei einer Fernsehserie wie Game of Thrones oder Lost einfach mit Staffel vier Folge zwei anfangen und sich dann darüber beschweren, dass Charaktere, Verbindungen und Ereignisse nicht verständlich sind. Das MCU ist nunmal eine Serie, eine riesige, über Jahre gewachsene Erzählstruktur, die man entweder mitgeht oder eben nicht. Ich persönlich bin Marvel-Fan. Ich schaue vieles gerne, wenngleich längst nicht alles gut ist, was in den letzten Jahren auf die Leinwand oder den Bildschirm kam. Manchmal überwiegt bei mir die Neugier, manchmal auch die Gewohnheit, aber trotz aller Kritik will ich wissen, wie es weitergeht. Und wenn mich ein Film wie dieser dann auch noch gut unterhält, freue ich mich umso mehr.

Phase 5 und der schwierige Übergang

Aktuell befinden wir uns mitten in Phase 5, die ein Teil der sogenannten Multiverse Saga ist. Zur Erinnerung: Die ersten drei Phasen, bekannt als Infinity Saga, bauten alles auf, was dann in Avengers: Endgame zusammenführte. Diese Phase war getragen von einer klaren Richtung, einem übergeordneten Ziel und einer stetigen Eskalation. Mit dem Ende dieser Saga kam jedoch auch ein Bruch. Phase 4 wirkte zerfasert, voller Experimente, aber auch voller Fragezeichen. Serien wie WandaVision, Loki oder Ms. Marvel zeigten, dass man bei Marvel Studios durchaus noch frische Ideen und Mut hat, doch andere Werke wirkten eher unbeständig und wechselhaft in ihrer Tonalität. Es waren eher einzelne Kapitel ohne klares Ziel. Phase 5 soll nun wieder Ordnung schaffen, doch nicht nur fantastisch überirdischishe Wesen, sondern auch unsere eigene Realität hat dazwischengefunkt. Der Streik der Drehbuchautoren, Skandale rund um Jonathan Majors und immer neue Verschiebungen, wie etwa bei Blade, sorgten dafür, dass das große Ganze nach wie vor etwas diffus blieb.

Und doch schafft es Marvel immer wieder, mich abzuholen. Nicht konstant, nicht jedes Mal, aber immer mal wieder. Und Thunderbolts* ist eines dieser Male. Jake Schreier, der hier Regie führt, hatte bisher eher kleinere Projekte wie Musikvideos oder einzelne Episoden von Serien, wie z.B. Jüngst bei Star Wars: Skeleton Crew auf dem Zettel, seine bekanntesten Filme dürften wohl Robot & Frank, sowie Margos Spuren (Orig.: Paper Towns) sein. Schreier meistert diese große Aufgabe im MCU aber erstaunlich souverän. Der Film wirkt geerdeter, fokussierter und düsterer als vieles, was man sonst von Marvel kennt, ohne ins depressive Pathos abzurutschen. Die Kameraarbeit ist solide, die Actionszenen gut inszeniert, die Musik von Henry Jackman unterstreicht das Geschehen ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

Ein Gegner aus Licht und Schatten

Im Zentrum von Thunderbolts* steht Robert „Bob“ Reynolds, besser bekannt als Sentry, dargestellt von Lewis Pullman. Bob ist ein Mann, der mit enormen Kräften ausgestattet wurde, die ihn zu einem der mächtigsten Wesen im Marvel-Universum machen. Doch diese Kräfte haben einen Preis: In seinem Inneren lauert der Void, eine dunkle Entität, die seine destruktive Seite verkörpert. Der Film zeigt eindrucksvoll, wie Bob zwischen diesen beiden Extremen hin- und hergerissen ist. Die Thunderbolts, die zu Beginn alles andere als ein Team sind, schliddern dabei unfreiwillig in das Abenteuer. Statt auf klassische Konfrontation und großes CGI-Feuerwerk setzt der Film auf Empathie und Verständnis, was eine erfrischende Abwechslung im Superheldengenre darstellt. Wenngleich natürlich nicht gäntlich auf phantastische Computereffekte verzichtet wird.

Die Darstellung des Void ist visuell nämlich beeindruckend und symbolträchtig. Inspiriert von den Schatten, die die Opfer der Atombombenabwürfe in Hiroshima hinterließen, absorbiert der Void Menschen und hinterlässt dunkle Silhouetten, die an die Schrecken realer Katastrophen erinnern. Diese künstlerische Entscheidung verleiht dem Film eine tiefere emotionale Ebene und hebt ihn besonders hervor.

Düstere Themen, nur halb ausgelotet

Was Thunderbolts* für mich besonders macht, ist eben der Umgang mit ernsteren Themen. Marvel hat sich diesmal etwas mehr getraut und zumindest versucht, Depressionen, Schuldgefühle und Traumata greifbar zu machen. Figuren wie Yelena oder Wyatt tragen ein spürbares Gewicht mit sich herum, das nicht nur angedeutet, sondern auch ausgesprochen wird. Natürlich kratzt der Film letztlich auch hier wieder nur an der Oberfläche. Das ist keine neue Schwäche bei Marvel, sondern eine, die sich durch viele Produktionen zieht. Man spricht ein Thema an, gibt dem Publikum kurz das Gefühl, dass es jetzt ernst wird, und zieht dann doch wieder zurück, bevor es wirklich wehtut. Ich verstehe, warum das so gemacht wird. Es geht letztendlich eben um Unterhaltung, um Zugänglichkeit, um ein möglichst breites Publikum. Aber ich empfinde es auch als versäumte Chance, denn gerade Thunderbolts* hätte das Potenzial gehabt, noch tiefer zu gehen. Stattdessen wird vieles nur angedeutet, bleibt somit nur im Halbschatten und verliert dadurch auch an Kraft.

Neue Helden, neue Konflikte

Wie es bei Marvel üblich ist, bietet auch Thunderbolts* nach dem Abspann Hinweise auf zukünftige Entwicklungen im MCU. Zum Ende des Films wird das Team als „New Avengers“ präsentiert, was sowohl bei den Charakteren als auch beim Publikum für stirnrunzeln sorgt.

Die Post-Credit-Szene hingegen schlägt ernstere Töne an. Vierzehn Monate nach den Ereignissen des Films sehen wir die New Avengers in ihrem neuen Hauptquartier, dem Watchtower, wie sie über ihre Rolle und Legitimität diskutieren. Ein Konflikt mit Sam Wilson, dem aktuellen Captain America, bahnt sich an, da er und Teile der Öffentlichkeit die Verwendung des „Avengers“-Namens durch das neue Team infrage stellen. Diese Spannungen deuten auf tiefgreifende Veränderungen hin.

Ein weiteres Highlight der Szene ist die Ankunft eines interdimensionalen Raumschiffs, das das ikonische „4“-Symbol trägt – ein klarer Hinweis auf die bevorstehende Einführung der Fantastic Four ins MCU. Diese Entwicklung verspricht spannende neue Dynamiken und erweitert das Universum, spätestens ab 24. Juli 2025 um weitere beliebte Charaktere.

Fazit

Ich will nicht behaupten, dass Marvel mit Thunderbolts* die Kurve endgültig bekommen hat. Aber es ist ein starker Beitrag, der zeigt, dass das Studio noch weiß, wie man gute, unterhaltsame Filme mit Haltung macht. Dass man Figuren ins Zentrum rücken kann, ohne sie nur als Stichwortgeber für größere Namen zu nutzen. Und dass man auch ohne interdimensionale Endgegner spannende Geschichten erzählen kann. Der Film macht Spaß, hat ein gutes Tempo, starke Momente und bietet genau das, was viele MCU-Beiträge in letzter Zeit vermissen ließen: Fokus, Charakter, Substanz. Auch wenn er diese Substanz nicht voll auslotet.

Für mich ist das ein Film, der Lust auf mehr macht. Ein Film, der zeigt, dass es sich trotz aller berechtigter Kritik noch lohnen kann, Marvel treu zu bleiben, zumindest solange immer mal wieder Produktionen wie diese dabei herauskommen.

Update: Marketing-Stunt & Titelenthüllung

Spoiler - Aufklappen um weiter zu lesen

(06.05.2025)
Kurz nach dem Kinostart hat Marvel einen, aus meiner Sicht ziemlich cleveren und vor allem mutigen Marketing-Stunt gewagt. Der Film Thunderbolts* wurde offiziell in The New Avengers umbenannt. Weltweit wurden Poster und digitale Anzeigen überklebt, Online-Tickets angepasst. Das Sternchen im ursprünglichen Titel stellte sich somit als raffinierter Hinweis auf diese Enthüllung heraus. In Social-Media-Videos entfernten die Stars wie Florence Pugh selbst den alten Schriftzug von den Postern und enthüllten den neuen Titel.

Ich finde, dass das mal ein überraschender und cooler Move war. Gerade weil die Aktion ordentlich Wellen geschlagen hat. Man muss aber auch sagen, dass alle die den Film bislang noch nicht gesehen haben, sich dadurch gespoilert fühlen könnten. Ich für meinen Teil bin da recht zwiegespalten, aber eigentlich feiere ich den Übergang zur nächsten MCU-Phase. Persönlich hätte ich den Thunderbolts*-Namen irgendwie dennoch gerne behalten. Das Team wächst im Film auf eine ziemlich charmante, fast schon tragisch-komische Weise zusammen, und wie sie zu ihrem Namen kommen, funktioniert für mich wunderbar innerhalb der Story. Aber klar: Am Ende in den Credits wird der Thunderbolts*-Schriftzug ohnehin durch *The New Avengers ersetzt, nachdem Valentina das Team mehr oder weniger überrumpelnd als neue Avengers der Weltöffentlichkeit präsentiert.

Was haltet ihr davon?

Kommentar verfassen