Tom Clancy’s Splinter Cell – Ein Essay

Splinter Cell 2002
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„Die Dunkelheit war sein Verbündeter. Sam Fisher verharrte regungslos im Schatten, kaum mehr als eine Silhouette. Die Luft war schwer, erfüllt von Staub und dem Geruch von Öl. Die Schritte des Sicherheitsmannes hallten wider, während Sam lautlos den Griff seines taktischen Messers ertastete.

Der Wächter zögerte, spähte ins Dunkel, doch Sam verschmolz mit der Nacht. „Immer ein Schatten bleiben,“ hatte Lambert gesagt, und genau das war er. Unsichtbar. Geduldig. Bereit. Der Moment gehörte ihm.“

So oder so ähnlich würde ich eine Szene beschreiben, wenn ich Tom Clancy’s Splinter Cell inszenieren wollte.

Eine Reise in die Vergangenheit

Es gibt Spielereihen, die begleiten einen durchs Leben wie ein guter Freund. Sie sind nicht immer präsent, aber wenn man an sie denkt, wird einem warm ums Herz. Für mich ist Splinter Cell genau so ein Fall. 2002 kam das damals noch frische Spiel als exklusiver Xbox-Titel raus, und somit war Tom Clancy’s Splinter Cell für mich eines meiner ersten großen Erlebnisse im Xbox-Kosmos. Ich erinnere mich noch, wie ich nachts im abgedunkelten Zimmer saß, den Lichtkegel von Sams Tri-Scope-Nachtsichtbrille durch die Schatten aufleuchten sah. Ich versuchte, mich ungesehen und ungehört an den gegnerischen Einheiten vorbeizuschleichen. Ich versuchte mich ungesehen und ungehört an den gegnerischen Einheiten vorbeizuschleichen. Zwischendurch immer mal wieder ein markiger Spruch von Sam, dem Martin Keßler (Vin Diesel, Nicholas Cage) in der deutschen Fassung unheimlich viel Tiefe verliehen hat.  

Ich habe jeden einzelnen Teil der Reihe gespielt, zumindest die Haupttitel, und zwar ausnahmslos auf der Xbox. Wobei ich die ersten drei Spiele tatsächlich auch auf dem PC zumindest angespielt, teils sogar durchgespielt habe. Vor allem deshalb, weil sie dort grafisch noch beeindruckender waren. Aber ich bin und bleibe einfach Konsolero.

Gerade die ersten drei Teile haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Aus meiner Sicht wurden sie mit jedem Teil besser und erreichten mit Chaos Theory einen nahezu perfekten Zustand, ein Spiel, das sich bis heute fest in meinem ganz persönlichen Stealth-Olymp verankert hat.

In den frühen 2000ern, als ich noch mehr Freizeit hatte, habe ich als Fan der Reihe sogar alle Splinter Cell Romane verschlungen, dazu aber später mehr.

Die Anfänge

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Wie bereits erwähnt, brachte Ubisoft Montreal im November 2002 Splinter Cell zeitexklusiv für die damals noch recht junge Xbox heraus, ein Spiel, das den Spionage-Thriller zumindest in Videospielform neu definierte.

Sam Fisher, wortkarg, cool und unermüdlich, wird von der geheimen NSA-Einheit Third Echelon in den Einsatz geschickt. Seine erste Mission führt ihn nach Georgien, wo zwei verschwundene CIA-Agenten und die Machenschaften des georgischen Präsidenten Nikoladze auf eine größere Verschwörung hindeuten.

Besonders beeindruckend war das innovative Licht-und-Schatten-Konzept, das nicht bloß als Kulisse diente, sondern aktives Gameplay-Element wurde. In der Hocke war man leiser, auf Glas oder Kies musste man besonders vorsichtig sein. Ganze Level gewaltfrei zu meistern, war eine Herausforderung, aber eine reizvolle. Die technische Umsetzung war einfach herausragend, ebenso wie der Rest der deutschen Synchronisation; zumindest bei den Hauptfiguren.

Zwei Jahre später erschien Splinter Cell: Pandora Tomorrow und brachte ein paar Neuerungen mit sich. So konnte man nun verschiedene Wege gehen, um Gegner auszuweichen, es war möglich, Türen zu öffnen, auch wenn man einen Körper trug, und die KI wurde grundlegend besser. So konnte sie z.B. auf Sam aufmerksam werden, wenn er den Laserpointer seiner Pistole benutzte und es gab erstmals einen Multiplayer Modus, der sowohl Online als auch im Konsolen-Link-Modus gespielt werden konnte. Ursprünglich war Pandora Tomorrow als Erweiterung für den ersten Teil gedacht, wurde dann aber so umfangreich, dass man sich entschied, ein vollwertiges Spiel daraus zu machen, im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung.

Dieses Mal starten wir in Indonesien, wo der ehemalige CIA-Mitarbeiter Suhadi Sadono, inzwischen ein skrupelloser Guerilla-Führer, biologische Waffen als Druckmittel gegen die USA einsetzt. Die Engine wurde leicht überarbeitet und einige Gameplay-Elemente verbessert. Zudem gab es ein paar sehr intensive Missionen, wie etwa in einem fahrenden Zug, durch den man irgendwie ungesehen durchkommen musste.

Das Spiel ist außerdem für einen physikalischen Fauxpas bekannt, der jedoch essenziell fürs Gameplay war, denn in einer Mission sind Blitz und Donner vertauscht. Im Spiel ertönt also zuerst ein lauter Donner, der als Warnsignal dient, damit man als Spieler weiß, dass gleich ein blendender Blitz folgt – gerade genug Zeit, um das Nachtsichtgerät rechtzeitig auszuschalten. Hinter dieser Idee stand übrigens das kreative Entwicklerteam von Ubisoft Milan, das es verstand, innovative Mechaniken in eine dichte, atmosphärische Story einzubetten. Verkaufszahlen von rund 2,8 Millionen Exemplaren bis Ende September 2004 und begeisterte Kritiken sprechen eindeutig für diesen gelungenen Fortschritt.

Nur ein Jahr später, 2005, erlebte die Splinter Cell-Reihe ihren glanzvollen Höhepunkt mit Splinter Cell: Chaos Theory. In diesem Teil spitzt sich die globale Lage dramatisch zu. Cyberangriffe, geopolitische Spannungen zwischen Japan, China und Nordkorea und der Missbrauch gefährlicher Technologien zwingen Sam Fisher an seine Grenzen. Der emotionale Höhepunkt des Spiels ist zweifellos die Konfrontation mit Douglas Shetland, einst ein Freund, der sich zum erbitterten Erzfeind entwickelt. Der Verrat und die daraus resultierende persönliche Dramatik machen Chaos Theory zu einem wahren Meisterwerk.

Außerdem beschäftigt sich das Spiel auch mit moralischen Aspekten. Als Spieler wird man mit Entscheidungen konfrontiert, die das Gameplay und die narrative Tiefe prägen. Ein Moment, der mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, war, als Sam im Verhör zu einem Nordkoreanischen Oberst Folgendes sagte:

„Oberst, das sind weder meine noch Ihre Männer. Das sind einfach nur Männer. Ehemänner, Väter, Söhne. Genau wie Sie und ich. Sollen die wirklich für unsere Fehler büßen?“

Dieses Zitat unterstreicht Sams Verständnis dafür, dass seine Gegner ebenso Menschen mit Familien und Leben sind – ein Aspekt, der die moralischen Dilemmata seiner Missionen hervorhebt. Das Spiel bietet uns Spielern somit die Freiheit, Missionen auf unterschiedliche Weise zu absolvieren – einschließlich der Möglichkeit, Gegner nicht tödlich auszuschalten. Vielleicht nicht zum ersten Mal in der Geschichte der Videospiele, aber für mich so eindrücklich, dass ich es seit Chaos Theory in vielen Spielen, wie z. B. Assassin’s Creed, immer wieder versuche.

Natürlich wurden auch hier wieder technische Neuerungen eingeführt, die das Gameplay auf ein höheres Level hoben und das Spielerlebnis intensivierten. Ein bedeutender Fortschritt war die Einführung eines akustischen Messers, das neben der Lichtanzeige auch die Geräuschentwicklung von Sam Fisher und seiner Umgebung erfasste. Diese Innovation zwang die Spieler, nicht nur auf Lichtverhältnisse, sondern auch auf Geräusche zu achten, um unentdeckt zu bleiben. Zugegeben, Lautstärke konnte einen schon seit Teil eins verraten, aber durch die neu eingeführte Leiste konnte dieses Element deutlich taktischer genutzt werden. Zudem wurde die künstliche Intelligenz der Gegner erheblich verbessert. Wachen reagierten realistischer auf Veränderungen in ihrer Umgebung, suchten aktiv nach Deckung und arbeiteten im Team, um den Spieler zu flankieren. Diese Anpassungen führten zu einer dynamischeren und herausfordernden Spielerfahrung.

Auch in puncto Grafik setzte Chaos Theory neue Maßstäbe. Die stark modifizierte Unreal-2-Engine unterstützte moderne Technologien wie Normal Mapping und High Dynamic Range Rendering. In Kombination mit dem Vertex-Shader-Modell 3 wurde die Darstellung von Licht und Schatten auf ein neues Niveau gehoben. All das machte das Spiel zu einem der visuell fortschrittlichsten Titel seiner Zeit.

Ich weiß noch, wie beeindruckend die damalige Demo, passende Grafikkarte vorausgesetzt, auf mich wirkte. Sie beinhaltete das komplette „Lighthouse“-Level des Spiels und überzeugte mich auf ganzer Linie. Das Level beginnt in einer feuchten Höhle mit glänzenden Wänden und Wasserpfützen, bevor Sam bei stürmischem Wetter einen Leuchtturm infiltriert. Die Demo bot überzeugende Einblicke in die Gameplay-Mechaniken und die verbesserte Grafik, einschließlich der damals bahnbrechenden Reflexionen und dynamischen Beleuchtung.

Splinter Cell: Chaos Theory wurde von Kritikern und Spielern gleichermaßen gefeiert und hat sich innerhalb der ersten Wochen nach Veröffentlichung rund 2,5 Millionen Mal verkauft, ein Rekord für die Reihe, der bis heute gilt. Insgesamt verkaufte sich das Spiel über drei Millionen Mal und ist damit der bis heute erfolgreichste Teil der Serie.

Der schmerzhafte Wendepunkt

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Als Nächstes kam 2006 Splinter Cell: Double Agent, und hier begann der verhängnisvolle Wendepunkt der, von mir bis hier hin absolut geliebten, Reihe. Nach dem tragischen Verlust seiner Tochter wird Sam Fisher in die terroristische Organisation John Brown’s Army (JBA) eingeschleust. Die Story nimmt hier einige dramatische Wendungen, denn Sam muss immer wieder zwischen Loyalität zu Third Echelon und dem Aufrechterhalten seiner Tarnung hin- und her entscheiden. Was uns als Spielern jedes Mal eine Entscheidung abverlangt, die das Spiel mal mehr mal weniger im weiteren Verlauf entscheidet.

Double Agent bot vor allem auf der damaligen NextGen beeindruckende Grafiken, die vom Sprung in die nächste Konsolengeneration zeugten, doch an zu vielen Stellen hakte es. So gab es leider trotz der starken Hardware von Xbox 360 und Playstation 3 immer wieder Performance-Probleme. Zudem kämpfte das Spiel mit zahllosen Bugs und einer inkonsistenten Steuerung auf der Nintendo Wii.

In Splinter Cell: Double Agent traten sowohl inhaltliche als auch steuerungstechnische Unterschiede zwischen den Versionen für ältere und neuere Konsolen auf, die das Spielerlebnis erheblich beeinflussten.​

Zur Erläuterung, die Steuerung von Double Agent auf der Wii war an die neue Bewegungssteuerung angepasst, was ziemlich gewöhnungsbedürftig war. Das Zielen mit der Wii-Mote und das Bewegen mit dem Nunchuk waren bei weitem nicht so intuitiv wie erhofft, zudem gab es Unterschiede in der Geschwindigkeit, je nachdem ob man sich einfach bewegt oder gezielt hat. Auch war das Schlossknacken mit der Wii-Fernbedienung ziemlich unpräzise, da die Bewegungserkennung beim Drehen des Dietrichs zu empfindlich reagierte und man gerade unter Zeitdruck ziemlich frustrierend sein konnte.

Auch inhaltlich gab es starke Unterschiede. So wurde Splinter Cell: Double Agent in zwei unterschiedlichen Versionen entwickelt und veröffentlicht, die sich sowohl in Sachen Handlung, als auch Gameplay-Mechaniken unterschieden.​

Die Version für Xbox, PS2, GameCube und Wii wurde von Ubisoft Montreal entwickelt und basierte technisch auf derselben Engine wie Chaos Theory. Die Handlung unterschied sich dabei sowohl im Missionsverlauf allgemein, als auch in den Missionszielen von der Next-Gen-Version. Anders als die NextGen Variante führten sämtliche Entscheidungen die man im Spiel traf, zu ein und demselben Ende.

Die Xbox 360, PS3 und PC-Version wurde hingegen von Ubisoft Shanghai mit einer komplett neuen Engine entwickelt. Die Handlung beginnt mit einem Schicksalsschlag für Sam und entwickelt sich dann eigenständig weiter. Je nach getroffenen Entscheidungen konnten hier drei unterschiedliche Enden erlebt werden.  

Hinter den Kulissen war der Druck, mit den sich schnell ändernden Marktanforderungen Schritt zu halten anscheinend so groß, dass diverse Designentscheidungen dazu führten, dass das einst so feine Stealth-Gameplay verwässerte und immer Action lastiger wurde. Diese kritische Phase führte aus meiner Sicht zu einem Bruch in der Identität von Splinter Cell, der die Fan-Gemeinschaft bis heute spaltet.

Der Tod kommt schleichend

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2010 stellte sich Splinter Cell: Conviction quer – und zwar in puncto Spielprinzip. Sam Fisher, gezeichnet von tiefer Trauer und der Wut auf sich selbst, versagt zu haben, begibt sich auf einen erbitterten Rachefeldzug. Plötzlich steht man auf offener Straße in Feuergefechten, statt heimlich aus den Schatten zuzuschlagen. Der klassische, leise Stealth-Charme wich einem interaktiven Actionfilm-Feeling.​

Eine der markantesten Neuerungen war das „Mark & Execute“-System. Hierbei konnte man Gegner oder Objekte markieren und sie anschließend in schneller Abfolge ausschalten, ohne manuell zielen zu müssen. Dies sollte ein taktisches Vorgehen ermöglichen, führte aus meiner sicht aber vor allem zu zwar stylischen, aber auch schnelleren und actionreicheren Sequenzen.​

Als weitere Neuerung gab es die „Last Known Position“. Wurde man von den Gegnern entdeckt, wurde eine Silhouette an dieser Position angezeigt, die die Aufmerksamkeit der Gegner auf sich zog. Dies erlaubte es, Feinde zu flankieren oder aus einer anderen Richtung anzugreifen, was ein wenig die Stealth-Dynamik erneuern sollte. Das neue Gameplay-Element war grundsätzlich zwar gut, aber nur ein halbherziges Eingeständnis an Spieler wie mich, die nach ruhiger Stealth-Action lechzten. 

Technisch präsentierte sich Conviction mit einer überarbeiteten Grafik, die auf der LEAD Engine, einer stark modifizierten Version der Unreal Engine 2.5, basierte. Diese ermöglichte erneut die Darstellung von beeindruckenden Licht- und Schatteneffekte, sowie flüssige Animationen, die das Spiel visuell aufwerteten. Zudem war Conviction das erste Spiel der Reihe, für das echte Menschen in Spezialanzügen ihre Bewegungen per Motion Capturing digitalisierten, um die Bewegungsabläufe aller Figuren noch realistischer wirken zu lassen. ​

Ich mochte das Spiel zwar deutlich mehr als Double Agent, habe aber dennoch viele einiges daran auszusetzen. Die Kampagne war viel zu kurz, weil der Fokus bei der Entwicklung meiner Meinung nach zu sehr auf der Inszenierung lag und die Entwicklungszeit allgemein recht kurz war. Zudem wurden klassische Stealth-Mechaniken wie das Verstecken von Leichen oder die Möglichkeit, Gegner bewusstlos zu schlagen, entfernt. Stattdessen wurde ein interaktiver Action Blockbuster, der sich überhaupt nicht mehr wie Splinter Cell anfühlte.​

Viele etablierte Gameplay-Elemente der Vergangenheit wurden einfach gestrichen, damit gerade neue Spieler einen leichteren Zugang zum Spiel haben; zumindest war das die Begründung dafür, dass Mechaniken wie das Knacken von Türschlössern oder der Einsatz anderer Gadgets entfernt wurden. Hier wurde fest in die DNA des Spiels eingegriffen und sie wie in einem Genlabor einfach auseinandergerissen und mit fremder Call-of-Duty-DNA wieder zusammengesetzt.​

Wer wie ich immer das stille und heimliche Vorgehen sowie die gedämpfte Spannung zu schätzen wusste, empfand diesen radikalen Stilwechsel als bitteren Abschied von dem, was Splinter Cell einst ausmachte, und war wohl der erste Sargnagel für das bis dato ziemlich erfolgreiche Franchise.

Im Jahr 2013 wollte Ubisoft mit Splinter Cell: Blacklist die alten Zeiten wieder aufleben lassen. Man habe auf die Fans gehört und das Spiel wieder deutlich näher an seine Wurzeln zurückgeführt. Nun ja, nein, jain? Sam ist mittlerweile Leiter der neu formierten Fourth Echelon und wird vor die Herausforderung gestellt, eine Serie globaler Terroranschläge zu vereiteln.​

Es wurden ehemals gestrichene Stealth-Elemente wieder eingeführt und mit moderner Technik und dynamischen Missionen kombiniert. So konnten leblose Körper wieder im Schatten versteckt und man selbst im Schatten unsichtbar werden. Zudem konnte dynamisch zwischen drei Spielstilen gewählt werden: „Ghost“ für lautloses Vorgehen ohne Tötungen, „Panther“ für tödliche, aber heimliche Aktionen und „Assault“ für den offenen Kampf. Diese Flexibilität ermöglichte es, Missionen auf unterschiedliche Weise anzugehen und beeinflusste auch das in der Mission verfügbare Equipment.
Ich persönlich fand die neue Führungsrolle von Sam zwar etwas befremdlich, da er sowohl als Leiter als auch als Feldsoldat agierte und somit noch mehr zur Ein-Mann-Armee mutierte, konnte mich damit aber grundsätzlich anfreunden. Insgesamt griff Blacklist grundlegend die Essenz der Serie wieder auf, die seit Double Agent immer mehr verschwand und modernisierte das Spiel dabei dennoch konsequent weiter.

Technisch präsentierte sich Blacklist mit einer abermals überarbeiteten LEAD-Engine. Features wie Tesselation und Parallax Mapping sorgten für noch detailliertere Umgebungen und realistischere Texturen. Allerdings gab es auch technische Probleme, insbesondere auf der PC-Version, wie Einbrüche der Bildwiederholrate und Grafikfehler bei bestimmten Kantenglättungseinstellungen, von denen ich auf der Xbox 360 jedoch verschont geblieben bin.

Die Verkaufszahlen und auch die Rezension der Fachpresse sprachen eigentlich eine eindeutige Sprache, nämlich dass Splinter Cell bzw. seine Fangemeinde immer noch sehr lebendig war. Zumindest hätte man das meinen können, denn bis heute ist kein neues Spiel mehr erschienen.

Weggefährten und Geister der Vergangenheit

Die Welt von Splinter Cell wird nicht nur durch Sam Fishers stille Missionen und seine kühle Professionalität geprägt, sondern auch durch eine Reihe markanter Nebenfiguren. Sie sind Weggefährten, Mentoren, Feinde, und manchmal auch Spiegel seiner eigenen Menschlichkeit. Gemeinsam zeichnen sie das Bild eines Mannes, der trotz aller Disziplin verletzlicher ist, als er selbst wahrhaben möchte.

Im folgenden Teil können Spoiler vorkommen.

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Irving Lambert war lange Zeit Sams engster Vertrauter und sein unmittelbarer Vorgesetzter bei Third Echelon. Zwischen ihnen entwickelte sich eine Beziehung, die weit über das Berufliche hinausging. Lambert wurde zu einer Art Vaterfigur, die Sam nicht nur Anweisungen gab, sondern ihn oft auch vor den Machenschaften der politischen Führungsebene schützte. Dennoch wurde diese Loyalität auf tragische Weise erschüttert, als Lambert Sam verraten musste, ein Moment, der Sam schwer traf und ihn nachhaltig veränderte. Lambert war ein leidenschaftlicher Zigarrenraucher und verfügte über einen Pragmatismus, der ihn auch in moralisch schwierigen Situationen handlungsfähig hielt.

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Anna „Grim“ Grímsdóttir war Sams technische Lebensader während vieler seiner Missionen. Ihr kühler Kopf und ihre unerschütterliche Professionalität retteten Sam mehr als einmal das Leben. Zwischen den beiden herrschte eine unausgesprochene Vertrautheit, die gelegentlich leise romantische Untertöne hatte, auch wenn sich daraus nie eine offene Beziehung entwickelte. Grim war eine der wenigen Personen, die Sam widersprechen konnten, ohne seinen Respekt zu verlieren. Selbst nach ihrem Wechsel zur CIA blieb sie eine der letzten Konstanten in Sams brüchiger Welt.

Douglas Shetland war zunächst ein alter Freund aus Navy-Zeiten und später CEO von Displace International, einer privaten Militärfirma. Anfangs verband die beiden eine enge Kameradschaft, doch als Shetland seine moralische Integrität zugunsten von Profit opferte, wurde er zu einem Gegner. Ihr finales Aufeinandertreffen ist von tiefer Enttäuschung geprägt und zeigt, dass Sams Loyalität zwar tief reicht, aber nicht blind ist.

Victor Coste, ehemaliger Navy SEAL wie Sam selbst, ist einer der wenigen Menschen, denen Sam auch in seiner zivilen Identität vertraut. Coste betreibt eine private Sicherheitsfirma und hilft Sam mehrfach in entscheidenden Momenten. Ihre Freundschaft ist rau, ehrlich und geprägt von gemeinsamem Respekt. Coste kennt die dunklen Seiten von Sams Welt und weicht dennoch nicht von seiner Seite.

William Redding, besser bekannt als „Will“, übernahm später eine Schlüsselrolle bei Third Echelon und war verantwortlich für die Einsatzkoordination. Zwar war er nie so eng mit Sam verbunden wie Lambert oder Grim, doch auch Redding bewies mehrfach, dass er Sam vertraute – und verstand, dass Vertrauen in ihrer Welt eine Währung von unschätzbarem Wert war.

Vernon Wilkes Jr. war ein Techniker und Unterstützer hinter den Kulissen bei Third Echelon. Seine Rolle war oft unsichtbar, aber essenziell. Tragischerweise kam Wilkes während einer Operation ums Leben – ein Verlust, der Sam schmerzte und ihn einmal mehr daran erinnerte, wie austauschbar selbst loyale Gefährten für die Organisation sein konnten.

Andriy Kobin, ein berüchtigter Waffenhändler, kreuzte Sams Weg als Feind – verantwortlich für die inszenierte Ermordung von Sarah Fisher. Trotz allem wurde Kobin später zu einer widerwilligen Quelle für Informationen. Sams Abneigung gegenüber Kobin ist greifbar, doch er versteht es, ihn als notwendiges Übel zu nutzen.

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Sarah Fisher, Sams Tochter, bleibt sein größter emotionaler Anker. Ihr vermeintlicher Tod und spätere Rettung waren Wendepunkte in Sams Leben. Sarah symbolisiert das, was Sam stets zu schützen versucht, eine Welt jenseits von Gewalt und Verrat. Ihr Studium der Literatur steht in scharfem Kontrast zu Sams blutiger Karriere – und erinnert ihn daran, dass es Dinge gibt, die bewahrt werden müssen.

Liebe, Verlust und Einsamkeit

Obwohl Sam auf Missionen als eiskalter Profi agiert, bleibt er im Privaten ein Mann voller Sehnsüchte und Widersprüche. In den Romanen wird deutlich, dass auch er Nähe und Liebe sucht – trotz oder gerade wegen der Härte seines Lebens.

Ein zentrales Kapitel seines emotionalen Lebens ist seine Ehe mit Regan Burns, einer Analytikerin der NSA. Die beiden verband anfangs eine tiefe Liebe, getragen von gegenseitigem Respekt für die Gefahren ihrer jeweiligen Karrieren. Doch Sams permanente Abwesenheit, seine Geheimhaltungspflichten und die psychische Belastung durch seine Arbeit führten letztlich zur Entfremdung. Nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter Sarah und zunehmenden Spannungen trennten sich Sam und Regan schließlich. Trotz der Scheidung bewahrte Sam stets starke Gefühle für seine Ex-Frau – eine stille, andauernde Trauer darüber, dass sein Beruf ihn um ein normales Familienleben gebracht hatte. Regans späterer Tod bei einem Autounfall riss Sam eine Wunde, die nie vollständig heilte.

Darüber hinaus erlebte Sam in Splinter Cell: Operation Barracuda eine kurze, aber intensive Affäre mit einer Nachbarin. Für eine kurze Zeit fand er darin eine Art Normalität – gemeinsame Abende, Gespräche, körperliche Nähe. Doch auch dieses fragile Glück zerbrach auf brutale Weise, als seine Nachbarin ermordet wurde, Opfer der dunklen Mächte, die Sam verfolgten. Dieses Ereignis verstärkte seine Überzeugung, dass Nähe eine Gefahr bedeutet – nicht nur für ihn, sondern vor allem für die Menschen, die er liebt.

Weitere Romane streifen kurze, flüchtige Romanzen, doch Sam bleibt stets der Einzelgänger. Seine Welt lässt wenig Raum für dauerhafte Bindungen – und jede emotionale Öffnung wird zur potenziellen Schwäche in einem Beruf, der auf absolute Kontrolle angewiesen ist. Gerade diese Einsamkeit macht seine Figur so faszinierend; ein Mann, der für die Freiheit anderer kämpft, während er seine eigene längst verloren hat.

Immer einen Schritt voraus – Sams Waffen und Ausrüstung

In der Welt von Splinter Cell bedeutet Überleben weit mehr als reine Feuerkraft. Tarnung, Technik und Präzision sind Sam Fishers wichtigste Verbündete. Seine Ausrüstung ist über die Jahre hinweg immer raffinierter geworden – und doch gibt es einige Konstanten, die seinen Stil und seine Effektivität maßgeblich prägen.

Herzstück seiner Bewaffnung ist das SC-20K M.A.W.S., ein hochmodernes Sturmgewehr auf Basis des FN F2000. Modular aufgebaut, kann es mit Schalldämpfer, Granatwerfer, Schrotflintenaufsatz oder Präzisionslauf ausgestattet werden. Die Waffe verschießt nicht nur tödliche Munition, sondern erlaubt auch den Einsatz taktischer Alternativen wie Taser, Ringflächengeschosse oder Rauch- und Gasgranaten, um Gegner auszuschalten, ohne tödliche Gewalt anzuwenden. Im späteren Verlauf arbeitet Sam dann mit den Nachfolgern, dem SC-3000 und SC-4000, die jeweils leicht modernisierte Sturmgewehre auf derselben Basis sind.

An Sams Seite findet sich auch fast immer die zuverlässige FN – Five SeveN Pistole. Diese schallgedämpfte halbautomatische Waffe mit 20-Schuss-Magazin ist ideal, um unbemerkt Lichtquellen auszuschalten oder Gegner lautlos zu überwältigen. Ab Chaos Theory und besonders in späteren Spielen wird sie zudem mit einem OCP-Modul ausgestattet – dem Optisch Gekoppelten Potentiator, mit dem sich elektronische Geräte wie Kameras oder Lichtschranken temporär deaktivieren lassen.

Für den Nahkampf setzt Sam ab Chaos Theory standardmäßig auf das Karambit Kampfmesser, das sowohl für schnelle Kills als auch für Bedrohungstaktiken gegen feindliche Soldaten genutzt werden kann. Zudem ist es ein gutes Hilfsmittel, um so manchen Stoff durchzuschneiden, um sich zum Beispiel Zugang zu einem Zelt zu verschaffen.

Doch es ist nicht nur die Bewaffnung, die Sam nahezu unsichtbar macht. Sein Taktischer Anzug MK V TacSuit, in vielen Varianten bekannt als Stealth- oder Infiltration Suit, ist speziell dafür entwickelt Sams Wärmeabstrahlung zu minimieren und ihn im Infrarotbereich schwerer auffindbar zu machen. Herzstück der Tarntechnologie sind die integrierten Fotodetektionszellen, die Lichtverhältnisse in der Umgebung analysieren und dem Anzug ermöglichen, seine Reflexion zu optimieren. Das macht es Gegnern besonders schwer, Sam in dunklen oder schwach beleuchteten Bereichen zu entdecken.

Auf seinem Kopf trägt Sam das unverwechselbare Tri-Scope, eine dreilinsige Spezialbrille, die nicht nur klassische Nachtsicht bietet, sondern je nach Spiel auch um Wärmesicht, EMF-Detektion (Erkennung elektromagnetischer Felder) oder sogar einen Sonarmodus (ab Conviction und Blacklist) erweitert werden kann.

Für die Aufklärung nutzt Sam die Flexible Optik, eine winzige Glasfaser-Kamera, mit der er unter Türen spähen kann, um Räume vorher zu erkunden. Sollte er unbemerkt Gespräche belauschen müssen, kommt das Laser-Mikrofon zum Einsatz, das Vibrationen auf Fensterscheiben aufnimmt und so Stimmen hörbar macht.

Auch sein taktisches Arsenal ist beeindruckend. Die Haftkamera erlaubt es ihm, Feinde zu beobachten, Geräusche zur Ablenkung zu erzeugen oder sogar Betäubungsgas freizusetzen. Die Taser oder Sticky Shocker setzen Gegner durch Stromschläge außer Gefecht, während Splittergranaten für tödliche Explosionen sorgen können, wenn ein leiser Ansatz fehlschlägt. Rauchgranaten ermöglichen Flucht oder verdeckte Bewegung durch Sichtschutz, und Gasgranaten dienen dazu, ganze Gruppen feindlicher Soldaten kampfunfähig zu machen. Zusätzlich nutzt Sam Haftminen (Wall Mines), die er an Wänden platzieren kann und die auf Annäherung explodieren.

Über das OPSAT (Operational Satellite Uplink Terminal), ein tragbares Kommunikations- und Steuergerät, damals sagte man PDA, heute wohl Smartphone, Dieses Gerät ist permanent am Unterarm des Anzugs befestigt, so dass Sam stets mit seiner Zentrale in Verbindung bleibt. Erhält Missionsupdates, taktische Informationen oder ruft Karten und Ziele ab.

Mit dieser flexiblen und hochentwickelten Ausrüstung gelingt es Sam Fisher immer wieder, in scheinbar aussichtslosen Missionen unbemerkt zu bleiben, eben ein Geist in der Dunkelheit, dessen wichtigstes Werkzeug letztlich aber immer seine eigene Erfahrung und Instinkt bleiben.

Ikonografie und popkultureller Einfluss

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Sam Shieffer in Asterix & Obelix XXL 2

Sam Fisher ist mehr als nur ein Videospielcharakter – er ist zu einer Ikone der modernen Popkultur geworden. Seine charakteristische Ausrüstung, insbesondere das Tri-Scope Nachtsichtgerät, ist zu einem Symbol für das Stealth-Genre geworden. Diese visuelle Signatur hat nicht nur in der Gaming-Welt Spuren hinterlassen, sondern wurde auch in anderen Medien aufgegriffen. So parodiert beispielsweise das Spiel Asterix & Obelix XXL 2 mit der Figur „Sam Shieffer“ direkt den berühmten Agenten, inklusive Tarnanzug und Nachtsichtgerät.​

Darüber hinaus hat Sam innerhalb der Videospielewelt weitere Auftritte gehabt. In Rayman Legends ist ein freischaltbares Kostüm im Splinter Cell-Stil verfügbar und in Metal Gear Solid 3: Subsistence taucht der Protagonist Naked Snake in einer Szene in Fishers typischer Ausrüstung auf. Selbst in anderen Ubisoft-Titeln wie Ghost Recon: Wildlands war Fisher als spielbarer Charakter im DLC vertreten.​

Die kulturelle Bedeutung von Sam zeigt sich auch in den Versuchen, seine Geschichte auf andere Medien zu übertragen. Neben Romanen und Comics gab es eine geplante Verfilmung mit Tom Hardy in der Hauptrolle, diese wurde zwar nie realisiert, doch Netflix arbeitet derzeit wohl an einer animierten Serie namens Splinter Cell: Deathwatch, in der Liev Schreiber, in der englischen Fassung, die Stimme von Sam Fisher übernehmen wird. Die Serie wird von Derek Kolstad (John Wick) entwickelt und produziert, was auf eine actionreiche und stilvolle Umsetzung hindeutet. Inhaltlich folgt die Serie offensichtlich einem älteren Sam Fisher, der für eine streng geheime neue Einheit, die Deathwatch, rekrutiert wird. Die Geschichte soll den Spagat zwischen klassischen Stealth-Missionen und komplexeren moralischen Dilemmata darstellen. Dabei geht es nicht nur um klassische Infiltration, sondern auch um persönliche Konflikte und die Herausforderungen, die ein Veteran in einer veränderten Welt meistern muss.

Die Serie wird computeranimiert sein, mit einem eher realistischen Anime-Stil, der sich an der düsteren Atmosphäre der Spiele orientiert. Geplant sind vorerst acht Episoden, die noch dieses Jahr auf Netflix veröffentlicht werden sollen. Diese Adaptionen unterstreichen, wie sehr der Bedarf an neuen Geschichten aus dem Splinter Cell vorhanden ist und welche Relevanz Splinter Cell auch nach Jahren ohne neues Spiel in unserer Popkultur hat.​

Ein weiteres ikonisches Element, das untrennbar mit Sam Fisher verbunden ist, ist das charakteristische Geräusch beim Aktivieren seines Nachtsichtgeräts. Dieses elektrische Surren, das an das Einschalten der Protonenpacks in den Ghostbusters-Filmen erinnert, hat sich tief in der Gaming-Kultur verankert. Es dient oft auch in anderen Spielen als akustisches Signal für den Übergang in den Stealth- bzw. Nachtsicht-Modus und wird in verschiedenen Medien als Hommage oder Parodie verwendet. So sind beispielsweise in den Serien Robot Chicken und VGHS (Video Game High School) Szenen zu sehen, in denen ein Charakter ein Nachtsichtgerät aktiviert und dabei ein ähnliches Geräusch ertönt, das unweigerlich an Splinter Cell erinnert.

​Zwischen den Zeilen – Die Romane des Splinter Cell-Universums

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Neben den ikonischen Spielen hat sich das Splinter Cell-Universum auch in der Literatur einen festen Platz erobert. Die Romane und ein begleitender Comic erweitern nicht nur die Welt von Sam Fisher, sondern bieten auch tiefere Einblicke in seine Persönlichkeit, seine Beziehungen und die moralischen Konflikte, die ihn als Charakter prägen. Obwohl der Name „Tom Clancy“ auf den Covern prangt, stammen die Geschichten von Autoren wie Raymond Benson, Grant Blackwood, Peter Telep und James Swallow. Clancys Name dient hier primär als Marke für spannungsgeladene Spionagethriller. Ubisoft erwarb 2008 die Markenrechte an „Tom Clancy“ und hatte bereits 2000 das Entwicklerstudio Red Storm Entertainment übernommen, das Clancy mitbegründet hatte.

Die Romane bieten eine faszinierende Ergänzung zu den Spielen und vertiefen insbesondere Sams zwischenmenschliche Beziehungen. Sie beleuchten nicht nur seinen inneren Konflikt als Geheimagent, sondern auch seine Rolle als Vater und Freund. Besonders spannend ist dabei sein Verhältnis zu seiner Tochter Sarah, das in späteren Büchern intensiver behandelt wird. Im Folgenden stelle ich die Bücher in chronologischer Reihenfolge der Timeline vor und ergänze meine persönliche Meinung zu den von mir gelesenen Werken.

Tom Clancy’s Splinter Cell (2004)
Timeline: Vor dem ersten Spiel.

Sam Fisher wird auf eine gefährliche Mission geschickt, um die Terrorgruppe „The Shadows“ und das Waffenhändler-Netzwerk „The Shop“ zu stoppen. Der Roman führt geschickt in die Welt von Third Echelon ein und beleuchtet Fishers moralische Konflikte sowie die Schattenseiten seines Berufs. Besonders eindrucksvoll fand ich, wie der Autor Fishers Einsamkeit darstellt – ein Mann, der für sein Land alles riskiert, aber kaum persönliche Bindungen zulässt. Für Fans des ersten Spiels ist dieses Buch ein perfekter Einstieg in Sams Welt.

Operation Barracuda (2005)
Timeline: Direkt nach dem ersten Buch.

Fisher reist nach Hongkong, um den Mord an einem amerikanischen Wissenschaftler zu untersuchen. Die Spur führt ihn zurück zu „The Shop“, den Triaden und einem chinesischen General mit gefährlichen Expansionsplänen. Der Roman ist actiongeladen und bietet spannende Schauplätze wie urbane Verfolgungsjagden oder Infiltrationen von Hochsicherheitsanlagen. Besonders gelungen finde ich hier die Darstellung von Sams taktischem Geschick und seiner Fähigkeit, auch unter Druck kühlen Kopf zu bewahren. Gleichzeitig wird sein Konflikt mit der US-Regierung angedeutet – ein Thema, das in späteren Büchern weiter ausgebaut wird.

Checkmate (2006)
Timeline: Nach Pandora Tomorrow.

Sam Fisher wird auf eine globale Mission geschickt, um eine radiologische Waffe zu neutralisieren, die bereits eine amerikanische Stadt verwüstet hat. Die Handlung führt ihn durch Länder wie die Ukraine und den Iran bis nach Turkmenistan. Für mich eines der intensivsten Bücher der Reihe. Es zeigt Fisher als strategischen Denker, der nicht nur gegen Terroristen kämpft, sondern auch mit seiner Loyalität zu Third Echelon hadert. Besonders spannend fand ich, wie Fisher trotz seiner Isolation menschliche Nähe sucht – sei es durch kurze Gespräche mit alten Freunden oder durch seine Gedanken an Sarah.

Fallout (2007)
Timeline: Nach Chaos Theory.

In Kyrgyzstan plant Bolot Omurbai mit Hilfe einer biologischen Waffe einen Angriff auf die weltweiten Ölreserven. Fisher reist durch Kanada und China bis in die Tian-Shan-Berge, um den Plan zu vereiteln. Der Roman ist voller politischer Spannungen und actionreicher Szenen. Besonders beeindruckend fand ich Fishers Entschlossenheit. Trotz der geopolitischen Komplexität bleibt er fokussiert auf seine Mission. Gleichzeitig wird seine Beziehung zu Lambert weiter vertieft – ein Aspekt, der für spätere Ereignisse wichtig ist.

Conviction (2009)
Timeline: Zwischen Double Agent und Conviction (Spiel).

Nach Lamberts Tod ist Fisher auf der Flucht vor Third Echelon und kämpft gegen ein Team neuer Splinter Cells. Der Roman zeigt ihn als gebrochenen Mann, der dennoch versucht, eine Verschwörung aufzudecken. Besonders spannend fand ich hier Sams innere Zerrissenheit. Er hinterfragt nicht nur seine Rolle als Agent, sondern auch seine Identität als Mensch. Die düstere Atmosphäre des Romans passt perfekt zur Stimmung des gleichnamigen Spiels.

Endgame (2009)
Timeline: Nach Conviction.

Fisher wird zur Zielscheibe anderer Splinter Cells aufgrund seines Wissens über geheime US-Operationen. Während er einen Verräter innerhalb von Third Echelon jagt, infiltriert er eine Waffenauktion und kämpft gegen die Terrorgruppe Phoenix. Der Roman beleuchtet Sams Isolation als Agent sowie die geopolitischen Spannungen seiner Einsätze. Persönlich fand ich es spannend zu sehen, wie Fisher sich trotz seiner Einsamkeit immer wieder auf seine Prinzipien beruft.

Firewall (2022)
Timeline: Nach Blacklist.

Sam Fisher trainiert neue Splinter Cell-Agenten – darunter seine Tochter Sarah –, während er eine globale Bedrohung durch die Cyberwaffe Gordian Sword bekämpft. Diese Technologie könnte Flugzeuge abstürzen lassen oder ganze Städte lahmlegen. Als ein Attentäter aus seiner Vergangenheit auftaucht, müssen Vater und Tochter zusammenarbeiten, um die Gefahr abzuwenden. Der Roman kombiniert persönliche Konflikte zwischen Sam und Sarah mit technischer Intrige und weltweiter Action.

Dragonfire (2023)
Timeline: Nach Firewall.

Sam Fisher operiert hinter feindlichen Linien in Nordkorea, während Sarah und Isaac Briggs versuchen, ihn aufzuspüren und eine Verschwörung der „Dragons“ aufzudecken – einer Gruppe mit globalen Ambitionen. Der Roman verbindet actionreiche Missionen mit einer Weiterentwicklung von Sams Beziehung zu Sarah. Ihre Zusammenarbeit zeigt nicht nur ihre wachsende Bindung, sondern auch ihre Unterschiede als Agenten.

Splinter Cell: Echoes (2013)
Timeline:
 Zwischen Conviction und Blacklist.

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Der Comic Splinter Cell: Echoes ist ein kleiner Ausreißer, daher kommt er auch am Ende der Liste. Das schöne Tradepaperback erzählt die Geschichte von Sam Fisher nach seinem Rücktritt aus Third Echelon. Er wird von seinem alten Freund Victor Coste rekrutiert, um eine internationale Verschwörung aufzudecken, die mit illegalen Waffenverkäufen und globaler Instabilität verbunden ist. Die Handlung beleuchtet Sams Kampf, ein normales Leben zu führen, während er gleichzeitig mit seiner Rolle als Vater ringt. Die Beziehung zu seiner Tochter Sarah wird thematisiert, bleibt jedoch eher im Hintergrund. Der Comic bietet actionreiche Szenen und einige klassische „Splinter Cell“-Momente, wie Sams taktische Manöver und den Einsatz seiner Ausrüstung.

Ich empfand Echoes als eine solide Ergänzung für Fans der Spiele, allerdings funktioniert der Comic eigenständig nur bedingt. Die Geschichte schließt zwar eine Lücke zwischen Conviction und Blacklist, doch diese Lücke hätte nicht zwingend erzählt werden müssen. Der Comic ist relativ kurz und fühlt sich an einigen Stellen gehetzt an. Die düstere Atmosphäre und die visuelle Umsetzung durch die Autoren und Zeichner Marc Laming und Ian Herring hingegen sind wirklich großartig. Dennoch bleibt der Comic für mich eher ein Begleitwerk, welches ohne die Spiele wenig Tiefe bietet.

Epilog

Gerade die Romane haben das Universum für mich erst so richtig lebendig gemacht. Neue Perspektiven, tiefere Figurenzeichnungen und jede Menge Hintergrundwissen, das in den Spielen höchstens angedeutet wurde, bereicherten die Welt von Sam Fisher für mich ungemein. Wer sich nur auf die Games beschränkt hat, hat zwar immer noch ein großartiges Erlebnis, hat aber dennoch vieles verpasst. Die Romane vertiefen das Splinter Cell-Universum auf beeindruckende Weise, sowohl durch spannende Missionen als auch durch intime Einblicke in Sams Psyche und Beziehungen. Besonders faszinierend finde ich Sams Entwicklung vom isolierten Agenten hin zu einem Vater, der versucht, wieder Teil eines normalen Lebens zu werden – ohne dabei seine Prinzipien oder Fähigkeiten aus den Augen zu verlieren. In jedem Fall eine Empfehlung meinerseits, ich habe mir übrigens während meiner Recherche für diesen Text erst einmal Firewall und Dragonfire in den Einkaufswagen gelegt.

Nur ein Geist – Das Splinter Cell Remake

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Nachdem das Splinter Cell VR-Projekt 2022 unerwartet eingestellt wurde, bleibt uns aktuell nur der optimistische Blick in die Zukunft. Ubisoft Toronto arbeitet derzeit an einem Remake des Originals aus dem Jahr 2002, das von Grund auf neu entwickelt wird. Dabei setzt das Studio auf die leistungsstarke Snowdrop Engine, die bereits in Spielen wie Avatar: Frontiers of Pandora und Star Wars Outlaws verwendet wird. Diese Engine soll nicht nur für beeindruckende Next-Gen-Grafik sorgen, sondern auch die ikonischen Licht- und Schattenmechaniken der Serie auf ein neues Niveau heben. Besonders gefreut hat mich die Bestätigung der Entwickler, dass das Spiel linear bleiben wird und nicht in Richtung Open World geht, ein klares Zeichen dafür, dass man den Kern des Originals bewahren möchte.

Dennoch sollen sowohl die Story als auch das Gameplay einer Frischzellenkur unterzogen werden. Die Handlung des Remakes basiert auf der Geschichte des Originals, in dem Sam zwei verschwundene CIA-Agenten in Georgien sucht und dabei eine Verschwörung rund um einen korrupten Staatschef und nukleare Bedrohungen aufdeckt. Allerdings hat Ubisoft angekündigt, die Story für ein modernes Publikum zu aktualisieren. Laut einer (mittlerweile entfernten) Jobanzeige aus 2022 soll die Erzählung „authentischer und glaubwürdiger“ werden, ohne den Geist des Originals zu verlieren. Was auch immer das genau bedeuten mag. Werden politische Themen stärker betont? Werden Sams Beziehungen zu anderen Charakteren vertieft? Einerseits freue ich mich darauf, bekannte Szenen neu zu erleben, andererseits habe ich auch Bedenken, dass zu viele Änderungen den Charme der ursprünglichen Geschichte verwässern könnten.

Das Remake soll die Stealth-Mechaniken der Serie weiterentwickeln. Neben den bekannten Elementen wie Licht- und Geräuschkontrolle soll es neue Features geben. Dank Raytracing, das realistische Reflexionen ermöglicht, z.B. auf Glasflächen oder Wasserpfützen, muss man als Spieler noch vorsichtiger agieren, damit Gegner einen nicht durch eine Spiegelung entdecken und Alarm schlagen. Auch raytraced Audio kommt zum Einsatz, sprich Geräusche werden realistischer simuliert, sodass Feinde auf Schritte oder Schüsse je nach Umgebung unterschiedlich reagieren. Diese technischen Fortschritte könnten das Stealth-Gameplay noch immersiver machen als im Original.

Die Entwickler betonen immer wieder ihren Respekt vor der Vorlage. Creative Director Chris Auty erklärte, dass man den „Geist der frühen Spiele“ bewahren wolle. Gleichzeitig ist es ihr Ziel, neue Spieler für die Serie zu begeistern. Ob dies gelingt, bleibt abzuwarten, schließlich liegt der letzte Haupttitel (Blacklist) über ein Jahrzehnt zurück. Ich persönlich hoffe darauf, dass Ubisoft einen guten Mittelweg findet, Modernisierung ja, aber bitte ohne den Kern dessen zu verlieren, was Splinter Cell ausmacht. Ich hoffe vor allem, dass Martin Keßler wieder Sams deutsche Stimme übernehmen wird, anders kann ich mir den leicht zynischen Agenten nicht vorstellen.  

Um ehrlich zu sein, frage ich mich manchmal, ob ein vollständiger Reboot der Serie nicht sinnvoller gewesen wäre, um neue Wege zu gehen. Aber vielleicht ist gerade dieses Remake der erste Schritt hin zu einer Wiederbelebung der Reihe, ein Gedanke, der mich trotz aller Zweifel optimistisch stimmt. Der Release ist für 2027 geplant, ich habe jedenfalls Bock.

Zwischen Nostalgie und Zukunftshoffnung

Über all die Jahre hinweg konnte die Splinter Cell-Reihe nicht nur die Herzen der Spieler erobern, sondern auch die Anerkennung der Fachwelt. Bereits das erste Spiel, Tom Clancy’s Splinter Cell, erhielt 2002 und 2003 allein über 15 Nominierungen und konnte unter anderem bei den Game Critics Awards (2002) als Best Action/Adventure Game und bei den Interactive Achievement Awards (2003) als Console Game of the Year triumphieren. Pandora Tomorrow überzeugte 2005 bei den Interactive Achievement Awards und gewann den Preis als Bestes Action/Adventure-Spiel auf Konsole. Chaos Theory setzte diese Erfolgsgeschichte fort und wurde 2004 auf der E3 als Bestes PC-Spiel ausgezeichnet. Auch Double Agent erhielt 2006 diverse Nominierungen, wenngleich ein großer Sieg ausblieb. Conviction räumte 2010 gleich mehrfach ab, darunter Best Xbox 360 Game bei Gamespot sowie Best Action Game bei IGN. Selbst Blacklist wurde 2013 für seine technische Umsetzung und sein Gameplay gelobt und erhielt mehrere Nominierungen, etwa bei den NAVGTR (National Academy of Video Game Trade Reviewers) Awards und den Canadian Videogame Awards.

Insgesamt erreichte die Splinter Cell-Reihe über 60 internationale Nominierungen und konnte mehr als 30 Auszeichnungen für sich verbuchen, ein beeindruckendes Zeugnis ihrer Qualitäten.

Doch unabhängig von Preisen und Trophäen war Splinter Cell für mich immer weit mehr als nur ein Stealth-Action-Spiel. Es hat eine gewisse Faszination auf mich und ist ein fester Bestandteil meines Lebens, der mich seit 2002 begleitet. Die frühen Titel, allen voran Chaos Theory, setzten Maßstäbe, an denen sich die späteren Ableger messen mussten, auch wenn diese oft in ihre eigene Richtung drifteten. Vom innovativen Gameplay und dem unverwechselbaren Soundtrack bis hin zu emotional aufgeladenen Storys und hintergründigen Charakterzeichnungen, die durch die Romane noch erweitert wurden.

Sam Fisher ist für mich das stille Rascheln im Schatten, eine leise Bedrohung, die niemals sichtbar wird, aber immer präsent ist, vor allem dann, wenn die Welt auf sie angewiesen ist.

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